Johann Matthias Sperger – virtuoser Kontrabassist und Komponist

Historische Persönlichkeiten
30. Oktober 2022

Wer weiß, wie sich das Leben von Johann Matthias Sperger entwickelt hätte, wenn Joseph II. damals die Kapelle von Kardinal Joseph Batthyányi in Pressburg und später das Erdödy-Orchester in Eberau nicht aufgelöst hätte. Oder wenn Fürstin Grassalkovich Sperger in Pressburg angestellt hätte, wohin er zurückkehren wollte. So musste er enorme Energie aufwenden, um seine Werke an die königlichen und adeligen Höfe zu schicken und Tausende von Kilometern in einer Kutsche mit seinem Kontrabass rütteln, um seine ungewöhnliche Kunst zu präsentieren in der Hoffnung, eine Anstellung an einem adeligen Hof bekommen zu können. Diese Bemühungen haben sich jedoch ausgezahlt. Schade für unsere Stadt. Aber gehen wir schön der Reihe nach vor …

Der aus einer Viehzüchterfamilie aus Feldsberg (Österreich) / dem heutigen Valtice (Tschechien) stammende Mann hatte anscheinend viel Freude an seinem Musikstudium, denn bereits im Alter von 16 Jahren schrieb er selbst Abhandlungen zur Musiktheorie, Übungen zum Orgelspiel und Kompositionsanleitungen ab (zwei Abhandlungen nach Vorlagen von G. Carissimi und J. J. Fux sind auch erhalten geblieben). Er muss also einen soliden Lehrer für Musiktheorie und Komposition gehabt haben, dieser war höchstwahrscheinlich der Organist und Lehrer Franz Anton Becker. Ab etwa 1767, vielleicht auch etwas später, befindet sich Sperger in Wien, wohin ihn der Fürst von Feldsberg, Franz Josef I. von Liechtenstein, zum Studium geschickt hatte. Der hörte ihn offenbar in der Kirche auf der Orgel spielen oder improvisieren. Dort mag er den reisenden Kontrabassvirtuosen Joseph Kämpfer (aus Pressburg) kennen gelernt haben, der sich seit 1760 in Wien aufhielt. Es ist möglich, dass er Sperger bei der Wahl seines Instruments beeinflusst hatte. Sperger studierte ab 1769 in Wien Komposition bei dem bedeutenden Pädagogen und Theoretiker Johann Georg Albrechtsberger (er unterrichtete später u.a. Hummel und Beethoven) und Kontrabass bei Friedrich Pischelberger.

Hier kommen wir zu Spergers Pressburger Periode. Zwischen 1777 und 1783 arbeitete er in Pressburg als Kontrabassist in einem der besten Orchester der damaligen Zeit unter Kardinal Joseph Batthyányi. Als er der Kapelle beitrat, war er bereits mit Anna Maria Barbara Firani verheiratet. Einige der herausragenden Solisten des Orchesters waren eine große Inspiration nicht nur für die Kompositionen vom Kapellmeister Anton Zimmermann, sondern auch für den komponierenden Kontrabassisten Sperger. Beide hatten übrigens den gleichen Lohn von 500 Gulden und wurden für die Kompositionen zusätzlich bezahlt. Es handelte sich hier um eine besonders produktive Zeit. In diesen sechs Jahren komponierte Sperger 129 Werke: 18 Sinfonien, 15 Instrumentalkonzerte (davon 7 für Kontrabass), 56 Werke für Blasinstrumente und 40 Kammermusikwerke. Leider ist seine Adresse in Pressburg nicht bekannt.

 

 

Porträt von Johann Matthias Sperger – Kupferstich nach dem Werk von Leopold August Abel (1803)

 

Sieben Jahre nach der Gründung der Wiener Tonkünstler-Sozietät beantragt er die Mitgliedschaft. Sein erster öffentlicher Auftritt in Wien war bei der großen Musikakademie dieser Gesellschaft mit 180 Mitwirkenden am 20. 12. 1778 im Kärntnerthortheater, wo auch seine Sinfonie auf dem Programm stand. Das Solo seines Kontrabasskonzerts spielte er selbst. Als Mitglied wurde er am 15. 2. 1779 aufgenommen, zahlte die Aufnahmegebühr von 300 Dukaten und leistete dann einen jährlichen Beitrag von 12 Dukaten. Später erwies sich dieser Schritt als richtig. Nachdem er seine Arbeit verloren hatte, unterstützte ihn dieser Pensionsverein und nach seinem Tod erhielt seine Witwe – während der 15 Jahre, die sie ihren Mann überlebte – 120 Dukaten jährlich. Von 1779 bis 1781 saß er mit dem bereits erwähnten, 15 Jahre älteren Kontrabassvirtuosen Joseph Kämpfer am selben Notenpult in Pressburg. Kämpfer ging 1781 erneut auf Reisen, dies mag einerseits ein Zeichen für Spergers Überlegenheit, andererseits für Kämpfers Reiselust gewesen sein. Bei Batthyányi spielte damals der Cellist Franz Xaver Hammer (1741-1817), der früher im Haydn-Orchester bei Esterházy tätig war. Für ihn schrieb Sperger ein Cellokonzert, später spielten sie gemeinsam in Ludwigslust.

Im Jahr 1781 trat Sperger als Solist in Brünn auf.

Das Orchester von Joseph Batthyányi wurde 1783 auf der Grundlage der Reformen Josephs II. aufgelöst. Von Mai 1783 bis September 1786 war Sperger bei Graf Ludwig Erdödy in Fidisch bei Eberau im heutigen Burgenland (damals Ungarn) angestellt. Ab 1785 war er Mitglied der Freimaurerloge „Zum goldenen Rad“ in Eberau. Im Jahr 1786 wurde jedoch auch dieses Orchester auf Grund der Reformen Josephs II. aufgelöst.

Sperger wäre gerne nach Pressburg zu Grassalkovichs Orchester zurückgekehrt. Am 23. 7. 1786 schickte er seine Sinfonie an die Fürstin Grassalkovich, leider blieb er ohne Erfolg.

 

Eine ältere Aufnahme vom Sommerpalast des Erzbischofs, in dem Sperger im Orchester von Joseph Batthyányi spielte

 

Er kehrte nach Wien zurück, wo er die Gelegenheit hatte, zahlreiche Kontakte zu knüpfen. Ab 1786 war er dort als freischaffender Künstler tätig. Die Tonkünstler-Sozietät befreite ihn am 9. November 1786 von der Zahlung des Jahresbeitrags, weil er sich in Wien niedergelassen hatte und Konzerte gab, und zahlte ihm im April 1787 eine größere Summe. Er wurde Kopist (von Noten), nahm Kontakt zu J. K. Vanhal und F. A. Hoffmeister auf und bat sie, Kompositionen für ihn zu schreiben (Vanhals Kontrabasskonzert zählt zu den meistgespielten Kontrabasskonzerten).

Ab 1777 führte Sperger umsichtig ein Verzeichnis der von ihm versandten Musikstücke „Catalog über verschückte Musicalien“ – seiner Kompositionen, die er (lange bevor er seine Stelle verlor) an verschiedene Persönlichkeiten und an adelige sowie königliche Höfe verschickte. Er unternahm eine lange Konzertreise mit den Stationen Wien – Brünn – Prag – Dresden – Berlin (hier durfte er siebenmal vor dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. – dem Cello-Spieler – auftreten) – Ludwigslust – Ansbach – Dischingen – Wien. Während dieser Reise absolvierte er in einem halben Jahr (zwischen Dezember 1787 und Juni 1788) eine Strecke von 2300 km, wobei er vor Grafen, Prinzen, Herzögen und Königen spielte. Insgesamt schenkte er ihnen unglaubliche 93 Partituren seiner Werke. Später gab der König von Preußen bei Sperger Sinfonien für zwei Hochzeiten ihrer Kinder in Auftrag, für die er ihn auch großzügig bezahlt hatte.

1788 spielte er sein Kontrabasskonzert zum letzten Mal in der Akademie der Tonkünstler-Sozietät in Wien. Interessanterweise bemühte er sich nicht um eine Stelle in Wien (vielleicht wegen Joseph II.?). Statt dessen unternahm er eine weitere Konzertreise: Parma – Triest – Venedig – Mantua (April – Mai 1789), auf der er die erfreuliche Nachricht aus Ludwigslust erhielt, dass der Herzog von Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I., ihn als ersten Kontrabassisten in seine Hofkapelle aufgenommen hatte. Dort blieb er 23 Jahre lang (bis zu seinem Tod) als Kontrabassist, Organist und Klavierstimmer. Der kunstsinnige Herzog, der mit seinem Orchester sogar Klavier spielte, reagierte auf Spergers verschiedene Bitten in der Regel sofort, positiv und mit einigem Respekt, ob es sich nun um die Haltung einer Kuh, den geplanten Bau eines Gefängnisses, das seinen Garten beschatten würde, die Umzäunung dieses Gartens oder sogar um eine zukünftige Rente für seine Frau handelte. Gemeinsam mit anderen Katholiken des Orchesters setzte sich Sperger auch für den Bau einer katholischen Kirche in Ludwigslust ein, die der protestantische Herzog bereits am nächsten Tag nach Erhalt des Antrags genehmigte. Sperger spielte in beiden Kirchen die Orgel. Die Gehaltserhöhung, die Sperger zwar respektvoll, aber recht selbstbewusst einforderte, wurde vom Herzog erst einige Jahre später gewährt. Dass er mehr Geld verlangte, begründete er mit den steigenden Preisen und mit der Notwendigkeit stark genug zu sein, wenn er sich für so ein großes Instrument entschieden hatte. In dieser Zeit gab Sperger Solokonzerte in Stettin, Lübeck und Leipzig mit dem bereits bekannten Gewandhausorchester, mit dem er zwei Kontrabasskonzerte gab.

Am 13. Mai 1812 starb er im Alter von 62 Jahren an Nervenfieber (wie man Typhus damals nannte). 13 Tage später wurde ihm zu Ehren Mozarts Requiem von seinen Orchesterkollegen aufgeführt.

Johann Matthias Sperger war der bedeutendste virtuose Kontrabassist nicht nur des 18. Jahrhunderts, sondern bis in die Gegenwart. Er hinterließ beinahe 400 eigene Kompositionen sowie fast die gesamte Sololiteratur für Kontrabass aus der klassischen Periode. Der Dank gilt seiner Witwe, die dem Herzog seinen systematisch geordneten Nachlass überreicht hatte. Bis heute wird der gesamte Nachlass in der Landesbibliothek Mecklenburg – Vorpommern und im Landeshauptarchiv Schwerin aufbewahrt.

Im Jahr 2021 erschien überhaupt die erste Biographie von Johann Matthias Sperger unter dem Titel „… da er einer unserer besten Virtuosen ist“, wie auch sonst, aus der Feder des Kontrabassisten Professor Klaus Trumpf. Nach dem Erfolg des 1. Internationalen Johann-Matthias-Sperger-Wettbewerbs im Jahr 2000 gründete er ein Jahr später die Internationale Johann-Matthias-Sperger-Gesellschaft. Der Wettbewerb findet alle zwei Jahre statt, wobei er im Jahre 2020 online veranstaltet wurde. Der Wettbewerb für das Jahr 2022 wird erst Ende März/ Anfang April in Rostock stattfinden.

Seine Spieltechnik beeinflusst die Kontrabassisten bis heute. Auch mehrere slowakische Kontrabassisten treten erfolgreich in Spergers Fußstapfen. In erster Linie handelt es sich um den Gewinner des ersten Jahrgangs des oben genannten Wettbewerbs. Das Ausnahmetalent Roman Patkoló saß 2010 und 2012 sogar in der Jury, seit 2009 ist er als Professor an der Hochschule für Musik in Basel tätig. Anne-Sophie Mutter, eine der führenden Geigenvirtuosinnen unserer Zeit, bezeichnet Roman Patkoló als „den Paganini des Kontrabasses unserer Zeit“.

 

 

Statue von Johann Matthias Sperger in Ludwigslust von Andreas Krämmer (2018)

 

Sein Lehrer Ján Krigovský gründete 2010 den Bürgerverein Slovak Double Bass Club, außerdem organisiert er regelmäßig mehrere Veranstaltungen wie z.B. den Internationalen Kontrabasswettbewerb K.D. von Dittersdorf oder das Festival namens Bass Fest.

Spergers Namen trägt und seine Musik popularisiert auch die Pressburger Kammermusikgruppe Sperger Duo, bestehend aus dem Ehepaar Xénia Jarová (Klavier) und Filip Jaro (Kontrabass), der letztere ist ebenfalls ein Schüler von Ján Krigovský.

Der Name von Johann Matthias Sperger ist vielen unbekannt. Doch dieser bahnbrechende und lebenskräftige Künstler hat auch uns heute etwas zu sagen.

 

Zuzana Godárová

Übersetzung: Melinda Rácz

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